Programm zur Kommunalwahl 2020Mobilität

Mobilität ermöglicht uns allen die Teilhabe an unseren gesellschaftlichen Aktivitäten, sie ist Bedingung für unser Sozial- und Berufsleben. Dabei bestimmt nicht die Zahl und die Länge der Wege die Qualität unseres Alltagslebens – mehr Mobilität mit weniger Verkehr kann gewinnbringend und nachhaltig für uns sein. Flexiblere Arbeitswelten, neue Familienmodelle und der demographische Wandel drängen auf zeitgerechte Angebote für unsere Alltagsmobilität. Mit ihrem Klimaschutzprogramm hat sich die Bundesregierung dazu verpflichtet, bis 2030 die Emissionen des Verkehrssektors um gut 40% zu verringern. Ohne Veränderungen des Verkehrs auch auf der kommunalen Ebene ist dieses Ziel nicht zu erreichen.

Wir wollen deshalb lokal in der Gemeinde Lienen auf eine möglichst umweltverträgliche und zukunftsfähige Gestaltung unserer Mobilitätsbedürfnisse hinwirken. Das ist im ländlichen Raum aufgrund der weiteren Wege und der geringeren Siedlungsdichte nicht immer einfach. Für die zukünftige Gemeindeentwicklung ist bei allen Planungen zu prüfen, ob sich zusätzlicher Verkehr vermeiden lässt und wie kurze Wege erhalten werden können.

Wir wollen versuchen, Verbesserungen für Fußgänger*innen, Radfahrer*innen, Bus- und Bahnbenutzer*innen als umweltschonende Verkehrsteilnehmer*innen umzusetzen. Und wir wollen anregen, im Rahmen der Möglichkeiten einer Kommune eine möglichst umweltverträgliche PKW-Nutzung zu unterstützen. Maßstab unseres Handelns sind dabei vor allem Kinder und Jugendliche, sozial schwache, mobilitätseingeschränkte und ältere Menschen. Sie müssen sich im Alltag sicher und barrierefrei selbstständig bewegen können.

Als kleinere Kommune müssen wir dabei das Rad nicht neu erfinden. Für das gesamte Münsterland gibt es überregionale Netzwerke zur Mobilität, z.B. das Zukunftsnetz Mobilität NRW. Die Vernetzung und der Austausch mit anderen Kommunen, die Diskussion mit allen Bürge*innen führt zu den besten und kostengünstigsten Ergebnissen.


Konkrete Maßnahmen

Digitalisierung von Mobilitätsbedürfnissen

Die Corona-Pandemie hat unsere Einstellung zur „digitalen Mobilität“ tiefgreifend verändert und zeigt uns, in welchem Maße sich berufliche und z.T. auch bestimmte soziale Kontakte ohne Ortsveränderungen digital wahrnehmen lassen. Manche Kommunen haben diese Art der digitalen Mobilität dadurch gefördert, dass entsprechende Video- und Audioportale kostengünstig zur Verfügung gestellt worden sind.

Vor dem Hintergrund des für den ländlichen Raum vorbildlichen Glasfasernetzes sollte die Gemeinde auch für unseren Ort derartige Angebote für alle Bürger über münsterlandweite Kooperationen prüfen.


Fußverkehr

Bei jedem Weg wird ein Teilstück zu Fuß zurückgelegt - jeder Fußweg ist auch eine positive körperliche Aktivität. Daher setzen wir uns für gute, durchgehende und sichere Fußwege in den Siedlungsbereichen ein. Vielerorts ist das durch Spielstraßen, Tempo-30-Zonen und ausreichend breite Gehwege verwirklicht, kleine „Pättkes“ bieten stellenweise eine sichere, autoferne Binneninfrastruktur in den Wohngebieten.

Wir unterstützen ausdrücklich den Antrag des VDK vom Juli 2019. Darüber hinaus wollen wir insbesondere die für Schul- und Alltagswege in den beiden Gemeindeteilen Lienen und Kattenvenne häufig genutzte Verbindungen noch einmal daraufhin untersuchen, wo Gefahrenpunkte bestehen oder die Qualität mobilitätseingeschränkten Personen nicht gerecht wird.  Solche Bereiche müssen dann entsprechend der Dringlichkeit durch Qualitätsverbesserungen, Querungshilfen und Tempo-Reduzierungen für alle Verkehrsteilnehmer*innen optimiert werden (z. B. Absenkung der Bordsteinkanten, Querungshilfe im Bereich der Kattenvenner Straße / Börgerstrasse (Schülerlotsenbereich) zur ganztägigen Sicherung des Grundschulweges, weitere Entflechtung und Verbesserung der Verkehrssituation im Bereich der Schulen).

Bei der Ausweisung neuer Baugebiete ist sicherzustellen, dass eine umwegefreie fußläufige Erschließung durch „Pättkes“ besteht. 


Fahrradverkehr

Das Fahrrad und vor allem auch eBikes und Pedelecs mit ihrer größeren Reichweite sind eine sinnvolle Alternative und Ergänzung zum PKW. Immer mehr Menschen legen mit ihren eBikes im Alltag längere und z.T. steigungsreiche Strecken zurück. Hierauf haben die Straßenbaulastträger, also auch unsere Kommune, nur unzureichend reagiert. Ziel muss es sein, dass jeder Bewohner*innen der Lienener und Kattenvenner Wohngebiete eine radverkehrsgerechte, sichere Anbindung an den jeweiligen Dorfkern und die jeweiligen Schulen und Sportstätten vorfinden.

Das ist nicht immer gleichbedeutend mit dem Bau neuer Radwege: In vielen Bereichen bestehen bereits aufgrund der vorhandenen Nebenwege, der geringen Verkehrsdichte oder geeigneter Temporeduzierungen sichere Verbindungen, die verbessert werden können (Vorfahrtregelungen, Wegequalität …).

Die umliegenden Gemeinden und die Verknüpfungspunkte des Öffentlichen Verkehrs (Bahnhöfe Kattenvenne und Lengerich, Busstationen in Iburg und Glandorf) sind durch Radschnellwege auf vorhandenen Wirtschaftswegen ohne großen Aufwand als „Fahrradstraßen“ vorfahrtberechtigt anzuschließen. Der im Gemeinderat von der CDU vorgebrachte Antrag zur Umwidmung der Schafstraße Richtung Lengerich geht in diese Richtung und ist auf alle Umlandgemeinden zu übertragen. Hierbei sind auch bauliche Maßnahmen zur Sicherung des Radverkehrs wie Schwellen an querenden Wegen zu prüfen und gegebenenfalls vorzunehmen.

Sinnvolle Ergänzungen des Radwegenetzes auch an den Hauptverkehrsstraßen insbesondere auch im Hinblick auf die Zunahme der Elektroräder, da diese auch Steigungsstrecken zunehmend fahrradtauglich werden lassen.

Zur Förderung des Radverkehrs und der besseren Verknüpfung sind alle stärker frequentierten Haltestellen des öffentlichen Verkehrs mittelfristig mit Möglichkeiten zum sicheren Abstellen von Fahrrädern auszustatten. Bei größerem Bedarf ist auch eine wetter- und diebstahlsgeschützte Abstellung von Fahrrädern vorzusehen. Entlang der Schulbuslinien ist dies vor allem auch durch sehr positive nachbarschaftliche Lösungen bereits teilweise umgesetzt. Vielfach besteht aber ein deutlich erkennbarer Verbesserungsbedarf. Die überdachte und gesicherte Fahrradabstellanlage südlich des Bahnhofes Kattenvenne ist zu erweitern. Sie sollte um einige Schließfächer zur Aufbewahrung von Regenzeug und Gepäck ergänzt werden.


Bus und Bahn

Öffentlicher Verkehr (ÖPNV) setzt für gewöhnlich die Bündelung von Verkehrsströmen voraus, um attraktive Angebote bei akzeptablen Kosten offerieren zu können. Im ländlichen Raum ist diese Bündelung aufgrund der geringeren Siedlungsdichte nur auf einzelnen Achsen möglich. Abseits dieser nachfragestärkeren Verbindungen sollen daher die etablierten Angebotsformen Bürgerbus, Anruf-Sammel-Taxi (AST) oder TaxiBus zum Einsatz kommen.

Verantwortlich für die Planung, Organisation und Finanzierung des straßengebundenen ÖPNV in Lienen ist der Kreis Steinfurt. Ihm gegenüber sind die Bedürfnisse und Ideen der Gemeinde Lienen stärker zur Geltung gebracht werden.

In Lienen ist das ÖPNV-Angebot auf die Bedürfnisse v.a. des Schüler- und Ausbildungsverkehr ausgerichtet. Lediglich nach Lengerich besteht eine Bus-Verbindung im Stundentakt. Nach Ladbergen, Hagen, Iburg und Glandorf gibt es keine oder nur wenige Fahrtmöglichkeiten. Erst mit dem ehrenamtlich betriebenen Bürgerbus wurde überhaupt ein regelmäßiges Angebot zwischen Lienen / Kattenvenne und Glandorf möglich.

Über die Bahnstrecke Osnabrück – Münster ist der Ortsteil Kattenvenne an den Schienenpersonenverkehr angebunden. Die Bahnlinien RE 2 und  RB 66 stellen schnelle und damit attraktive Verbindungen zu den Oberzentren Osnabrück, Münster, Essen und Düsseldorf her. Kattenvenne hat dadurch eine für Orte dieser Größe sehr gute Verkehrsanbindung in die Oberzentren und auch nach Lengerich.

Für Kattenvenne ist der Bahnhof damit der entscheide Standortfaktor: Er ist Ausgangspunkt für Berufspendler*innen aus unserer Gemeinde sowie Nachbarkommunen nach Osnabrück und Münster. Bahnpendler*innen aus den Nachbargemeinden nutzen aber „auf dem Weg“ den örtlichen Handel in Kattenvenne.

Vor diesem Hintergrund muss es zentrales Anliegen für die Gemeinde Lienen sein, die Attraktivität des Bahnhofs zu verbessern und so das SPNV-Angebot zu sichern:

Erweiterung der Park-Ride- und Bike-Ride-Anlagen am Bahnhof: Eine ausreichende Zahl an PKW-Stellplätzen und sicheren Fahrradstellplätzen ist Voraussetzung für die Nutzung des Bahnhofs von Pendlern aus Lienen und der Region.

Barrierefreier Ausbau des Bahnhofs: Aufgrund des nur über eine Treppe erreichbaren Mittelbahnsteigs und der niedrigen Bahnsteighöhe ist der Bahnhof nicht barrierefrei. Während in Lengerich eine umfassende barrierefreie Modernisierung des Bahnhofs bevorsteht und für Ostbevern und Westbevern entsprechende Planungen vorangetrieben wurden, ist in Lienen in der vergangenen Wahlperiode nichts Vergleichbares passiert. Um nicht im wahrsten Sinne des Wortes den Anschluss zu verlieren, muss daher die Gemeinde aktiv werden, Planungen bei NWL (Nahverkehrsverband Westfalen-Lippe, der zuständige Verkehrsträger) und Land anstoßen und sich selbst aktiv einbringen.

Nur mit konkretem, eigenem Engagement für den Bahnhof kann die Gemeinde die Bedeutung eines durchgehenden Halbstundetaktes für den Ort glaubwürdig begründen.

Von dem guten Bahnangebot auf der Strecke Osnabrück – Münster profitiert der Ortsteil Lienen nur beschränkt: das Busangebot ist nicht an die Taktfolge der Züge der RB 66 und RE 2 angepasst insbesondere nicht an den Wochenenden und den Abendstunden. Notwendig ist eine entsprechende Ergänzung / Anpassung des Fahrplans der Buslinie R46 Lienen – Lengerich. Ggf. ist diese Ergänzung als nachfrageorientiertes Angebot zu fahren (Anruf-Sammel-Taxi). Weiterhin ist eine Anschlussgarantie für den Lienener Buszubringer an die Züge in Lengerich notwendig.

Mit dem Bürgerbus ist in Lienen durch Bürgerengagement bereits eine erhebliche Verbesserung der Fahrtmöglichkeiten innerhalb der Gemeinde (Kattenvenne und Lienen) sowie zur Nachbargemeinde Glandorf verwirklicht worden. Der Bürgerbus-Verein ist in jeder Hinsicht zu unterstützen. Eine Einbeziehung von Bad Iburg ist in Abhängigkeit von den Möglichkeiten des Vereins sehr erstrebenswert. Ein ehrenamtlicher Verein kann aber mit seinen beschränkten Möglichkeiten nicht die Aufgaben des ÖPNV alleine tragen und den Kreis Steinfurt aus seiner Verantwortung für ein bedarfsgerechtes ÖPNV-Angebot entlassen.

Konkret möglich wäre eine Ergänzung des Bürgerbus-Angebots in den Abendstunden und am Wochenende durch Anruf-Sammel-Taxis oder TaxiBus-Angebote.
In Bad Iburg ist die Anschlusssituation der wenigen Busse und Zubringer aus Richtung Lienen an die Busse in Richtung Osnabrück zu verbessern. Hier verhindern derzeit nur Minuten den sicheren Übergang und eine attraktive Fahrtmöglichkeit in die Osnabrücker Innenstadt.

Langfristig ist für das gesamte Gemeindegebiet die Einführung eines „Bus on demand“ (Anruf-Sammel-Taxi bzw Anruf-Sammel-Bus), also eines „Flächenbusses“ zur Grundversorgung zu prüfen. Letzterer fährt nur nach Voranmeldung, holt den Fahrgast zuhause ab und bringt ihn bis zum Ziel - dabei werden möglichst viele Fahrtwünsche gebündelt. Entsprechende Modelle werden im Münsterland von der regionalen Verkehrsgesellschaft derzeit erprobt.

Unbefriedigend ist für Kattenvenner und Lienener Jugendliche, für Nachtschwärmer und Kulturbesucher die abendliche Anbindung an die Oberzentren in Osnabrück und Münster an Wochenenden. Werden im Münsterland und um Osnabrück praktisch alle Richtungen mit Nachtbussen in den Nächten von Freitag auf Samstag und Samstag auf Sonntag bedient, so ist einzig der „Sektor“ in den östlichen Kreis Steinfurt eine weißer Fleck. Wir regen die Übernahme des derzeit spendenfinanzierten Nacht-Anruf-Sammeltaxis in den Regelverkehr an (NachtAst von Ostbevern und Iburg mit Anschluss an das regionale Nachtbusnetz: www.nacht-ast.de).


Auto- und Motorradverkehr

Dorfentlastungsstraße: Voraussetzung für die notwendige Beruhigung der Hauptstraße in Lienen ist die Vervollständigung der Dorfentlastungsstraße. Die bisher nicht vollzogene Herabstufung der Landesstrasse zu einer Gemeindestraße behindert zum jetzigen Zeitpunkt eine Ausweisung der Hauptstraße als Tempo-30-Zone, Begegnungszone oder Spielstraße.

Wir sind gegen eine Weiterführung der Südumgehung Lengerich bis hin auf Lienener Gebiet. Die bestehende Straßenführung genügt dem Verkehrsbedarf und verbraucht keine zusätzliche Fläche.
Verhinderung der „Autobahnentlastungspläne“ zwischen der A30 und der A1 durch das Gemeindegebiet zur Entlastung und Umfahrung des Autobahnkreuzes Lotte/Osnabrück mit den angedachten Anpassungen und Baumaßnahmen. Die Gemeinde darf mit ihrer dafür ungeeigneten Land- und Bundesstraßen-Infrastruktur nicht für großräumige Umleitungsplanungen und als mautfreie Abkürzung für den Fernverkehr herangezogen werden.

Wirtschaftliche und fachgerechte Unterhaltung des gemeindeeigenen Nebenstraßen- und Wegenetzes. Wichtig sind dabei aber auch der Erhalt und die Wertschätzung der letzten unbefestigten Wegeverbindungen als Ausdruck der kulturellen und ökologischen Identität in der Sand- und Moorlandschaft südlich des Teutos.

Einstieg in das ländliche CarSharing / Dorfauto - die Gemeinde soll als „Ankermieter“ einen Teil der dienstlichen PKW-Fahrten über CarSharing abwickeln. So kann nahezu kostenneutral ein erstes Fahrzeug für Lienen grundfinanziert werden, das in der übrigen Zeit weiteren Nutzern als Sharing-Angebot zur Verfügung steht (Beispiel „teilAuto“). Kostenfrei sind hierfür zentrale Dauerparkplätze am Bahnhof Kattenvenne und im Dorfkern in Lienen bereitzustellen.

Gender-Stern

Wir verwenden in diesem Text eine geschlechtergerechte Sprache und benutzen dafür den Geschlechts-Stern (Gender Star wie z.B. Bürger*innen).

Einen herzlichen Dank an unsere Redaktion

Dirk Almering, Wiltrud Kampling, Georg Kubitz

und an unsere Mitautor*innen

Sabine Gräler, Marlies Janning, Laura Kratzke, Adelheid Kubitz-Eber, Ingrid Lebkücher, Frank Oppermann, Heiner Peters, Falko Prünte, Heidi Syska, Wolfgang Wienecke

Alle Namen sind alphabetisch sortiert.

Fotos der Kandidat*innen © Henrike Hochschulz