Programm zur Kommunalwahl 2020Klimaschutz als kommunale Aufgabe

Zusammenfassung der von uns geforderten Maßnahmen

Mobilitätswende (hier findet sich nur ein kleiner Teil der Forderungen aus dem Programmteil: Mobilität)

  • Attraktivierung des Bahnhofs Kattenvenne durch bessere Parkmöglichkeiten für PKW und Fahrräder und durch Barrierefreiheit
  • Halbstundentakt am Bahnhof Kattenvenne ganztägig
  • Ergänzung des Fahrplans der Buslinie R46 Lienen – Lengerich, so dass auch in den Abendstunden und an Wochenenden die Züge von/nach Münster und Osnabrück erreicht werden können 
  • Busverbindungen zu allen Nachbarkommunen schaffen/verbessern.
  • Bedarfsgesteuerter „Anruf-Flächenbus“ zur Grundversorgung des gesamten Gemeindegebietes prüfen
  • Stützung und Erweiterung des Bürgerbusangebotes, z.B. Ergänzung in den Abendstunden und am Wochenende durch Anruf-Sammel-Taxis oder TaxiBus Angebote
  • Gemeinde als Ankermieter für Carsharing Angebote
  • Radwegeverbindungen zu allen Nachbarkommunen schaffen

Wohnbauentwicklung (Siehe auch Programmteil: Bauen und Wohnen)

  • Gemeindliche Bürgerberatung zur Nutzung der Fördermöglichkeiten bei
    • energetischer Sanierung von Altbauten
    • Neubauten mit höheren Energiestandards
  • Erarbeitung von Quartierskonzepten (Siehe Programmteil: Bauen und Wohnen)
  • Information und Förderung der Nutzung von Solarenergie auf Privathäusern
  • Endlich Fotovoltaik auf gemeindeeigene Gebäude
  • Neubauten - vor allem der Gemeinde - mit besonders hohem Energiestandard

Unterstützende Maßnahmen

  • Stelle des Klimaschutzmanagers in der Gemeindeverwaltung mit Leben füllen
  • Beibehaltung des Ausschuss für Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit
  • Zertifizierung der Gemeinde nach dem european energy award

Aktuelle Situation

"Der Mensch hat bereits einen Klimawandel mit irreversiblen Folgen verursacht, welche weltweit zu spüren sind. Die globalen Temperaturen sind gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter um 1 Grad Celsius gestiegen, weil die CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre von 280 ppm auf über 400 ppm angestiegen ist. Um eine unkontrollierbare globale Erwärmung mit nicht absehbaren Folgen zu verhindern, ist es unerlässlich, die Treibhausgasemissionen schnellstmöglich massiv zu reduzieren.

Bereits 1,5 °C Erderwärmung führen unter anderem dazu, dass der steigende Meeresspiegel riesige Küstengebiete unbewohnbar macht. Die Weltbank schätzt, dass in den kommenden 30 Jahren die Zahl der Klimaflüchtlinge auf über 140 Millionen Menschen ansteigen wird. Auch in Nordrhein-Westfalen ist der Klimawandel bereits zu spüren. So leiden im Teutoburger Wald vor allem Fichtenbestände unter der enormen Trockenheit der letzten Jahre.  Auch die Landwirtschaft in unserer Region ist vom Klimawandel betroffen.

Der Klimawandel ist also nicht bloß ein Klima-, Natur- und Tierschutzproblem: Er ist ein Wirtschafts-, Sicherheits-, Flüchtlings- und Friedensproblem.

Es kann und soll nicht erwartet werden, dass die Lösung dieses Problems alleine durch Eigenverantwortung und von Einzelpersonen erreicht wird. Es braucht jetzt auf kommunaler, regionaler, nationaler und internationaler Ebene entschiedene Maßnahmen, um dieser drohenden Katastrophe entgegenzuwirken. Die aktuellen Pläne und Maßnahmen reichen nicht aus, um die Erwärmung bis 2050 auf die angestrebten 1,5 °C zu begrenzen. Deshalb ist es jetzt wichtiger denn je schnell zu handeln!"

Aus der Begründung unseres Antrags "Vorfahrt für Klimaschutz" vom Juli 2019.

Leider hat sich die Situation der Landwirtschaft und der Waldbestände im Teutoburger Wald seitdem noch verschlechtert. Jetzt tritt  - nicht nur in Lienen sondern weltweit - genau das ein, was Experten schon seit rund drei Jahrzehnten vorausgesagt haben: Die Kimakatastrophe! Viele Experten halten es für wahrscheinlich, dass es auf den jetzt eingeschlagenen Wegen noch nicht einmal möglich sein wird, das 2 °C Ziel zu erreichen.

Unsere Vision

Das möchten wir 2030 erreicht haben: Lienen ist zumindest bilanziell klimaneutral. Das heißt: der Ort erzeugt im Laufe eines Jahres so viel Energie, wie er verbaucht. In allen wichtigen Bereichen, das sind vor allem Verkehr, Heizen von Wohngebäuden und im Gewerbe haben wir erhebliche Reduktionen des Energieverbrauchs erreicht.

Die energetische Renovierung des Altbaubestandes ist mit einer allgemeinen Renovierung verbunden worden, so dass junge Familien auch in renovierte Altbauten gezogen sind. Viele Lienener Handwerksfirmen haben davon profitiert und dadurch ist die Gewerbesteuer der Gemeinde deutlich gestiegen.

Die Fotovoltaik in Lienen boomt. Fast alle Haushalte haben Fotovoltaikanlagen mit Energiespeichern und benötigen an Sonnentagen und dem darauf folgenden Tag keinen Strom vom Stromversorger.

Der öffentliche Personennahverkehr ist erheblich verbessert und der PKW-Verkehr dadurch erheblich zurückgegangen. Die immer noch notwendigen PKW sind zu großem Teil elektrisch betrieben und beziehen ihre Energie oftmals aus den Fotovoltaikanlagen der Häuser.

Was haben wir bisher erreicht?

Seit die Grünen und in der Folge das Bündnis für Ökologie und Demokratie im Rat vertreten sind, ist die lokale Klimapolitik ein Schwerpunkt unseres Handelns. Nach vielen Bemühungen gelang es endlich im Jahre 2015 mit massiver Hilfe des Kreises auch für Lienen ein Energie- und Klimaschutzkonzept aufzustellen und vom Rat zu beschließen. Seitdem ist das Bewusstsein für die Bedeutung von Klimaschutzmaßnahmen in der Lienener Verwaltung deutlich gestiegen.

Für eine kleine Gemeindeverwaltung wie Lienen ist dies mit erheblichem personellem Aufwand verbunden. Um die Gemeinde hierbei durch Fachleute zu unterstützen, strebt Lienen - auf Antrag des Bündnisses - eine Zertifizierung nach dem "european energy award" an. Hier werden die interner Verwaltungsabläufe und die Anstrengungen der Gemeinde zum Klimaschutz beratend begleitet und anschließend bewertet. Lienen steht hier trotz personeller Probleme im Bauamt kurz vor der ersten Stufe der Auszeichnung. Ferner besitzt Lienen - auch auf Initiative des Bündnis - einen eigenen Ausschuss für Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit. Für die Klimaschutzarbeit hatten wir eine Zeit lang eine Klimaschutzmanagerin eingestellt, deren Stelle erheblich bezuschusst wurde. Nach deren Ausscheiden liegen die Aufgaben des Klimaschutzes nun im Bauamt der Gemeinde. Auf Antrag und Initiative des Bündnis ist hier eine weitere Stelle geschaffen worden mit dem Ziel, den Leiter des Bauamtes soweit zu entlasten, dass er die Aufgaben eines Klimaschutzmanagers übernehmen kann.

Als eines der ersten konkreten erfolgreichen Projekte des Klimaschutzkonzeptes ist das Null-Emissions-Feuerwehrhaus in Kattenvenne entstanden. Durch die Fotovoltaikanlage des Hauses und eine gute Dämmung der Gebäudehülle wird im Jahresschnitt deutlich mehr Energie produziert als das Gebäude verbraucht.

Ein weiterer wichtiger Erfolg ist die Umstellung der Straßenbeleuchtung auf LED-Leuchtmittel. Hinzu kommen unter anderem Sanierungen an öffentlichen Gebäuden, vor allem den Schulen, die zu deutlichen Energieeinsparungen geführt haben.

Doch es bleibt noch sehr viel zu tun...

Wie soll es weiter gehen?

Die Corona Pandemie zeigt, dass es möglich ist, ambitionierte Ziele zu erreichen, wenn Menschen zusammenarbeiten. Das muss uns auch im Bereich des Klimaschutzes gelingen. Im Gegensatz zur Corona-Bekämpfung, die uns allen sehr viel Verzicht abverlangt, bedeutet Klimaschutz zwar Veränderung von Lebensgewohnheiten aber:  jedem Verzicht steht dabei immer ein Gewinn gegenüber. In den Städten bedeutet z.B. weniger Autoverkehr mehr Ruhe, mehr Lebensraum statt Parkraum, mehr Möglichkeiten für Radfahrer*innen und damit letztlich schnellere Transportwege für alle. Auf dem Lande wird man nicht ganz auf das Auto verzichten können. Hier bedeutet mehr Klimaschutz z.B. bessere Bus- und Bahnverbindungen, - siehe Bürgerbus Kattenvenne Lienen Glandorf -, Förderung sparsamerer Autos, Förderung von energetischer Sanierung des vorhandenen Altbaubestandes usw. und damit finanzielle Vorteile und vielleicht endlich auch für Lienen vernünftige Radwege zu den benachbarten Kommunen. Ein wichtiges Ziel ist es, diese Zusammenhänge bewusst zu machen, damit die Bürger*innen die Energiewende als große gemeinsame Aufgabe wahrnehmen.

Um die Schwerpunkte der Energiewende in Lienen bestimmen zu können, müssen wir den Energieverbrauch in Lienen genauer analysieren.

Oft wird Klimaschutz verkürzt auf die Frage: Wie können wir möglichst viel Strom aus regenerativen Quellen erzeugen und dadurch die Kohleverstromung, vor allem die der Braunkohle, deutlich verringern. ABER: Die Energieerzeugung ist nicht der bedeutendste Teil einer Energiewende. Der Schwerpunkt muss auf der Verringerung des Energieverbrauches liegen. Dies wird auch im Energie- und Klimaschutzkonzept der Gemeinde bei der Analyse des Energieverbrauchs aus dem Jahre 2013 deutlich:

In Lienen beträgt der Anteil des Stroms am gesamten Energieverbrauch der Gemeinde (Privathaushalte, Gewerbe, Industrie, Verkehrs usw.) nur 15%. Viel entscheidender ist der Kraftstoffverbrauch mit 44% und die Deckung des Wärmeenergiebedarfs mit 41% des gesamten Energieverbrauchs.

 


Verkehr und Kraftstoffe

Die besondere Bedeutung des Verkehrsbereiches wird noch einmal verdeutlicht, wenn man sich den Energieverbrauch in Lienen nach Bereichen aufgeschlüsselt ansieht.

Auch hier stellt der Verkehrsbereich - und hierbei der Individualverkehr - den deutlich größten Anteil dar. Ursache ist, dass 83% der Lienener zur Arbeit auspendeln. Nur ein geringer Teil von 17% der arbeitenden Lienener Bevölkerung hat seinen Arbeitsplatz in Lienen. Verschärft wird die Situation durch die vollkommen ungenügende Anbindung vor allem der Ortslage Lienen und der Außenbereiche an den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV). Ein erster wichtiger Schwerpunkt der Klimaschutzaktivitäten in Lienen liegt also im Verkehrsbereich, genauer im Bereich der Mobilität. Lienen darf nicht den Fehler der jetzigen Bundesregierung machen und die Verkehrswende vollständig verschlafen. Unsere Vorstellungen dazu finden Sie im Programmpunkt: Mobilität unseres Wahlprogramms.


Wärme

Laut Analyse im Klimaschutzkonzept der Gemeinde liegt der Hauptanteil des Wärmebedarfs Lienens in den Privathaushalten und nicht in Handel, Gewerbe oder der Industrie. Energetische Sanierung des Altbaubestandes und hohe Wärmedämmstandards bei Neubauten sind das geeignete Mittel, um hier Fortschritte zu erzielen. Wie wir uns das vorstellen, und welche Rolle Quartierskonzepte dabei spielen, finden Sie im Teil: Bauen und Wohnen dieses Programms.

Leider ist das Potential der Windenergie in Lienen gering. Näheres dazu im Naturschutz Teil unseres Programms.


Wind und Solarenergie

Während für das Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesrepublik der Ausbau der Windenergie eine entscheidende Rolle spielt, sieht das in Lienen anders aus. Nicht aus Naturschutzgründen sondern aufgrund der Streusiedlungsstruktur in Lienen und den derzeit geltenden bzw. beabsichtigten Mindestabständen zu einer Wohnbebauung ist in Lienen die Errichtung zeitgemäßer Windenergieanlagen (~150 m Nabenhöhe) nahezu auf keiner Fläche möglich. Im Gegensatz dazu sind die angrenzenden niedersächsischen Gebiete flurbereinigt, dadurch auch teilweise „unbesiedelt“ und damit windenergiefähig.
Im Falle einer wesentlichen Reduzierung der Abstandsgebote setzen wir uns in Lienen für die klare Trennung von Tabugebieten (FFH- und Naturschutzgebiete, berechtigte Anwohnerinteressen) und Gunstgebieten zur konfliktarmen räumlichen Steuerung der Windenergieerzeugung ein.

Das Potential der Solarenergie in Lienen ist laut Energie- und Klimaschutzkonzept bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Dies vor allem durch Beratungsangebote auch bezüglich Fördermöglichkeiten zu ändern ist eine wichtige Aufgabe der nächsten Ratsperiode. Auch die Nutzung von Solarenergie auf gemeindeeigenen Gebäuden ist noch deutlich steigerungsfähig.


Klimamanagement: wichtige Aufgabe der Gemeindeverwaltung

Gerade jetzt in der Aufbauphase nach dem Wirtschaftseinbruch auf Grund der Coronapandemie werden große Förderprogramme von Land und Bund aufgelegt. Vom Corona-Konjunkturprogramm der Bundesregierung mit einem Gesamtvolumen von 130 Milliarden kann auch Lienen erheblich profitieren. Alleine im Bereich des Klimaschutzes sollen hier 30 Milliarden investiert werden. Um diese Mittel abrufen zu können, benötigen wir in der Lienener Gemeindeverwaltung eine Stelle, die sich speziell um diese Förderprogramme kümmert. Das geht vom Herausfinden passender Projekte mit der genauen Kenntnis der Förderbedingungen bis hin zur Zusammenarbeit mit den entsprechenden Akteuren vor Ort und der Antragstellung und Abwicklung der Projekte.

Hier zeigt sich, wie wichtig der Antrag des Bündnis „Vorfahrt für Klimaschutz“ im Rat der Gemeinde war. Als wichtigstes Ergebnis ist eine neue Stelle im Bauamt geschaffen worden, um den Bauamtsleiter von der zeitlichen Belastung her in die Lage zu versetzen, genau diese eben beschriebenen Aufgaben im Bereich der Schnittstelle zwischen Klimaschutzmanagement und Wirtschaftsförderung zu leisten. Es gilt in der nächsten Ratsperiode die Verwaltung dabei zu unterstützen. Die Beibehaltung eines Ausschusses für Umwelt-, Energie und Nachhaltigkeit, der unter Anderem diese Arbeit begleitet, ist dafür eine wichtige Voraussetzung … Und ein gutes Wahlergebnis für das Bündnis für Ökologie und Demokratie Lienen e.V.

Gender-Stern

Wir verwenden in diesem Text eine geschlechtergerechte Sprache und benutzen dafür den Geschlechts-Stern (Gender Star wie z.B. Bürger*innen).

Einen herzlichen Dank an unsere Redaktion

Dirk Almering, Wiltrud Kampling, Georg Kubitz

und an unsere Mitautor*innen

Sabine Gräler, Marlies Janning, Laura Kratzke, Adelheid Kubitz-Eber, Ingrid Lebkücher, Frank Oppermann, Heiner Peters, Falko Prünte, Heidi Syska, Wolfgang Wienecke

Alle Namen sind alphabetisch sortiert.

Fotos der Kandidat*innen © Henrike Hochschulz